Kunstpädagogische Positionen
Während dieser Vorlesung kamen wir unter anderem auf die 3 Punkte Wahrnehmung, Imagination und Gestaltung zu sprechen. Daher habe ich entschlossen, mich näher mit dem ersten Punkt, der Wahrnehmung, auseinander zu setzen.
Es gibt unterschiedliche Phänomene und Geschehnisse welche die Wahrnehmung einer Situation beeinflussen.
- phylogenetisch
– Rollen
– Normen
– Werte
– Kultur
– Machtverhältnisse
- ontogenetisch
persönliche Erfahrungen mit ähnlichen Situationen und daraus erwachsende Erwartungen
- aktualgenetisch
psychisch-physische Verfassung in der aktuellen Situation
Beobachtungsprotokolle spiegeln oft mehr den Beobachter und dessen Standpunkt als die beobachtete Situation.[1]
Es ist stets wichtig in der Lage zu sein, beim Betrachten einer Situation, eines Bildes, die Perspektive zu wechseln. Daher sollte man ein Problem ebenfalls aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.
Nimmt man das Beispiel von zwei sich streitenden Menschen, dann jeder seinen eigenen Standpunkt und behauptet seine Sicht wäre die richtige. Man muss hier jedoch die eher subjektive Seite der Wahrnehmung betrachten, denn jeder erzählt „seine Wahrheit“.
Was sehen Sie auf den folgenden Bildern?
Vergleichen Sie ihre Antwort nun mit den folgenden Lösungen:
- Junge Frau – alte Frau
- Vase – Gesichtsprofile
- Frauengesicht – Saxophonspieler
- Delphinschule – Liebespaar
Ich habe diesen Test mit einigen Personen durchgeführt bekam folgende Lösungsvorschläge:
- Mann
- Zwei Menschen welche sich küssen wollen
- Teddybär
- Vorne eine nackte Frau dahinter ein Mann, der sie umarmt
- Frau von der Seite
- 2 Gesichter – Vase
- Gesicht einer Frau – Saxophonspieler
- Nackte Frau – Delfine
- Gesicht
- 2 Gesichter – Vase
- Mann mit Saxophon – Gesicht
- Vorne Frau und dahinter ein Mann – Umriss Gesicht
- Gesicht
- 2 Gesichter – Vase
- Mann mit Saxophon – Frauengesicht
- Mann der eine nackte Frau umarmt – Fische
Diese Bilder verdeutlichen, dass das was wir unsere „Wirklichkeit“ ansehen, im Grunde eine subjektive Wahrheit ist.
„Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen“ (Picasso)
Jeder Mensch konstruiert seine eigene Wirklichkeit. Wir können bloß eine subjektive Wahrnehmung der Realität kennen und nicht die Realität an sich. (Konstruktivismus)
Es gibt unterschiedliche Sichten der Wahrnehmung
Im Buddhismus
„Die Dinge bestehen aus Geist“
Hier unterscheidet man zwischen gewöhnlichem Bewusstsein und erleuchteter Weisheit. Das gewöhnliche Bewusstsein erleben wir jeden Tag, wir nehmen die Welt also nicht so wahr wie sie ist, sondern nur so wie unser Ego sie produziert. Im Erleuchtungszustand nehmen wir die Dinge dann so wahr wie sie sind.
Der Dalai Lama spricht hierbei von getäuschter oder konventioneller Wahrnehmung vs. Gültiger Wahrnehmung bzw. höherer Weisheit.
„Zwar nimmt das Bewusstsein ein Objekt wahr, seine Besonderheiten werden jedoch vo den geistigen Faktoren konstruiert“ (Rangjung Dorje -> buddhistischer Meister)
Viele moderne Psychotherapieformen besagen, dass die Wahrnehmung des Menschen subjektiv ist.
Wahrnehmungsmodell nach einer Hypothese von Erickson
Er stellte sich die Frage, wie es dazu komme, dass man Menschen auf dieselbe Außenwelt unterschiedlich auf ihn reagieren. Wenn bspw. zwei verschiedene Personen einem Hund begegnen, können beide völlig unterschiedlich auf ihn reagieren. Die eine könnte sich freuen, da sie Hunde gerne hat, während die andere Angst hat, weil sie möglicherweise in der Vergangenheit ein schreckliches Erlebnis mit einem Hund hatte, bspw. von einem Hund gebissen wurde. Die Begegnung mit dem Hund ruft also alte Erinnerungen und Erlebnisse wieder wach.
Wahrnehmungsprozess
Zunächst werden Gegenstände selektiv mit den Sinnen wahrgenommen (Filter # 1). Wir können nicht wahrnehmen ohne unsere Gefühle mit einzubeziehen, daher erfolgt in einem zweiten Schritt eine subjektive Bewertung der Sinneseindrücke (Filter # 2). Hierbei handelt es sich um einen psychologischen Prozess, der von unserer Persönlichkeit, unseren Erfahrungen, Werten, unserem Glauben, aber auch unserer Tagesform abhängt. Der Wahrnehmungsprozess ist eine subjektive und interne Interpretation.
„Das Glück Deines Lebens hängt von der Beschaffenheit der Gedanken ab.“ (Marc Aurel)
„Aus der Idee des Konstrukti- vismus ergeben sich zwei Konsequenzen: Erstens die Toleranz für die Wirklichkeit anderer – denn dann haben die Wirklichkeiten anderer genauso viel Berechtigung, wie meine eigene. Zweitens ein Gefühl der absoluten Verantwortlichkeit. Denn wenn ich glaube, dass ich meine eigene Wirklichkeit herstelle, bin ich für diese Wirklichkeit verantwortlich.“ (Paul Watzlawick)
„Unser Gehirn bestimmt wie uns die Welt erscheint“
Die Ergebnisse aus der modernen Hirnforschung bewahrheiten die Sicht der Buddhisten und Konstruktivisten.
„Wahrnehmung ist stets ein aktiver Prozess, keineswegs bloßes Aufnehmen von Sinneseindrücken. Unsere Wahrnehmungssysteme sind in hohem Maße interpretativ.“ (Wolf Singer -> Direktor Max-Planck-Institut für Hirnforschung)
Fazit
Unsere Wahrnehmung ist ein Konstrukt unseres Gehirns.
Quellen:
http://www.partnerschule-west.de/sites/ehe_partnerschaft/ehe_perspektiventest.html